Ihre Augen schmerzten bereits vom vielen Weinen, doch sie konnte den Fluss der Tränen nicht stoppen. „Ich versprech's dir“, hatte sie leise gestammelt, dann hatte sie sich zur Treppe gewandt. Dort stand sie nun und beobachtete, wie die Tür langsam ins Schloss gedrückt wurde. Verzweifelt und völlig entkräftet sank sie auf die Stufen. Wieso nur musste
immer ihr so etwas widerfahren? Wieso musste immer sie an solche Menschen geraten?
Dieser
Mensch hatte es vollbracht, ihre Seele zu zerfetzen und die letzten
Kräfte, die ihr geblieben waren, aufzubrauchen. Und dennoch, trotz
all der Schmerzen, all des Leides das er ihr zugefügt hatte –
bewusst oder unbewusst -, sehnten sich die kläglichen Scherben ihrer
Seele nach nichts mehr, als an dieser Freundschaft festzuhalten,
diesen Menschen nicht kampflos aufzugeben.
Er war
etwas besonderes, das war er wirklich! Nur war sie sich manchmal
nicht so sicher, ob das etwas gutes oder etwas schlechtes war. In
jedem Fall aber war er anders, auch wenn es äußerlich nicht den
Anschein hatte. Träge erhob sie sich und ging die Stufen hinab. Sie
fühlte sich kraftlos, hatte Bedenken ob ihre Beine dem Körpergewicht
überhaupt noch standhalten konnten. Sie fühlte sich so schwach. Sie
war müde, unheimlich müde. Und ihr war kalt. Keine äußerliche
Kälte. Sie fror nicht. Das war es nicht. Diese unerträgliche
schmerzende Kälte kam von innen her, als würden eisige Finger nach
ihrer Seele greifen. Vielleicht war es das. Ihre zerrissene Seele,
die nach Beistand schrie, nach Erholung.
Langsam
setzte sie einen Fuß vor den anderen. Ihr Kopf war leer. Sie war es
nicht, die ihren Körper steuerte. Sie sah lediglich zu, wie er sie
nach Hause beförderte. Langsam. Müde. Träge.
In
diesem Moment, hatte sie vollständig begriffen, dass er zwei
Persönlichkeiten beherbergte. Zwar hatte er oft schon von seinem
zweiten, seinem anderen 'Ich' gesprochen und sie hatte auch immer
wieder miterlebt, wie er auf einmal eine ganz andere Person zu sein
schien, sich komplett anders verhielt, doch sie wollte es nicht
wahrhaben. Sie hatte es verdrängt, ignoriert, nicht ernst genommen,
bis zu diesem Moment. Nun trug sie die Konsequenzen dessen. An die
Situation konnte sie sich kaum erinnern, schemenhaft nur, doch sie
wollte es auch gar nicht. Sein Gesicht würde ihr ewig in Erinnerung
bleiben. Dieser kalte, abwesende Blick, von Verachtung geprägt. Er
hatte sich in ihr Gehirn gebrannt, während alles andere langsam
verschwamm.
Das
Lachen, das ihr dann über die Lippen kam, war kein Ausdruck von
Freude oder Begeisterung. Gedrückt und trüb, qualvoll, brach es
hervor, leise jedoch, dieses Lachen voll Schmerz. Ironie. Mehr war es
nicht. Reine Ironie. Wer hätte ein Lachen da unterdrücken können.
Wie es nun wohl weiter gehen sollte? Sie wusste einzig, dass sie
diese Freundschaft niemals einfach aufgeben konnte, sie darum kämpfen
musste und würde. Weil sie es auf unerklärliche Weise wert war.
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